Ein Gastbreitrag von Lars Hummel
Der lange politische Prozess zur Bildung der neuen Europäischen Kommission endete am ersten Dezember. YPCCler Lars Hummel hat das Ganze für uns beobachtet und erklärt, wie genau der Prozess ablief und was als nächstes kommt.
Beginn eines langwierigen Prozesses
Nach den Europawahlen im Juni 2024 startete der langwierige Prozess zur Bestimmung der Kommissionspräsidentschaft und des Kommissionskollegiums. Nachdem Ursula von der Leyen bereits am 18. Juli mit 401 Stimmen des Europäischen Parlaments in ihre zweite Amtszeit gewählt wurde, zog sich der weitere Prozess über Monate hinweg.
Kurz zusammengefasst: jeder Mitgliedsstaat nominierte einen Kandidaten für einen Kommissar-Posten (vergleichbar mit einem Minister in Deutschland).
Die Vorgabe von der Leyens (vdL) einen weiblichen und männlichen Kandidaten vorzuschlagen, wurde dabei weitgehend ignoriert. Dementsprechend verpasste vdL ihr Ziel eines nach Geschlechtern ausgeglichenen Kabinetts.
Anhörungen als Höhepunkt des politischen Prozesses
An die Nominierungen folgte der Prozess der Eignungsprüfung der möglichen Kommissare auf Interessenskonflikte und Expertise für ihr Themenfeld. Für Zweiteres führte das Parlament die sogenannten Anhörungen durch. Diese bilden den politischen Höhepunkt des Prozesses. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments löcherten die Kommissar-Kandidaten mit Fragen anhand der eigenen politischen Prioritäten.
Extrem politisierter Prozess
Lange war der Prozess extrem politisiert und dementsprechend unkonkret. Erst bei den Vizepräsidenten der Kommission entlud sich einige Spannung. Teresa Ribera, Spanierin und Teil der europäischen Sozialdemokraten, wurde von der EVP stark attackiert, ob ihrer mutmaßlichen Rolle der Flutkatastrophe in Valencia. Die linkere Hälfte des Parlaments hingegen attackierte die EVP und rechtskonservative EKR bezüglich der Nominierung des Italieners Raffaele Fitto als Vizepräsident, da sie einen Rechtsruck in der Politik befürchten.
Eine schriftliche Vereinbarung zwischen Sozialdemokraten (S&D), den Liberalen (Renew) und der EVP war nötig, um alle Vizepräsidenten durch die Ausschüsse zu bekommen.
Dementsprechend wackelig waren die Mehrheitsverhältnisse als es in Strasbourg am 27. November an die Abstimmung ging.
Wichtig ist dabei: Es wurde über das gesamte Kommissionskollegium abgestimmt. Mit historisch niedriger Zustimmung von nur 370 Ja-Stimmen erreichte das Kollegium eine Mehrheit und trat zum ersten Dezember (nach formaler Zustimmung des Rats) sein Amt an. Habemus Kommission!
Was bleibt vom Prozess?
Ohne die EVP geht im Parlament nichts. Es gibt weder links noch rechts eine Mehrheit ohne Stimmen der EVP. Gleichzeitig zeigte sich, wie schwer es bei politisch
heißen Themen wird, Mehrheiten in der Mitte des Parlaments zu organisieren.
Was kommt als Nächstes?
Die Europäische Kommission arbeitet bereits mit Hochdruck am Arbeitsprogramm für 2025. Die angespannte geopolitische und wirtschaftliche Lage erfordert die richtigen Impulse. Die Wunschlisten der Stakeholder – ob Industrie, Politik oder NGO – sind dabei lang. Es gilt nun abzuwägen, wie die neue Balance in der Wettbewerbsfähigkeit eine Kernrolle einnehmen soll, mit der Fortsetzung ambitionierter Klimapolitik in Einklang gebracht werden kann.
Die Kommission besitzt alleiniges Vorschlagsrecht und kann daher als einzige Institution die notwendigen Initiativen in den Gesetzgebungsprozess einbringen. Welche Schwerpunkte sie dabei setzen möchte, wird sich am 26. Februar zeigen, wenn die Fortsetzung des European Green Deal – der Clean Industrial Deal – kommt.
Foto: Unsplash / Guillaume Périgois
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